20 Jahre Gruppenpfarramt 1989

Ein Rückblick von Joachim Weber

Quelle: Festschrift "20 Jahre Gruppenpfarramt Vogelsberg"

Vor 20 Jahren wurde in den Dörfern des Vogelsberges von den Landwirten häufig darüber geklagt, daß immer mehr Maschinen angeschafft werden mußten, die man kaum bezahlen konnte und die dann auch gar nicht wirklich ausgelastet waren. Aber eine Maschinengemeinschaft? Die kam auch nicht in Frage, weil man da immer der Dumme ist: "Bei schönem Wetter ist gerade der Nachbar dran, und wenn unsereiner mal Zeit hat, regnets!"

Die Pfarrer Grün, Stumpertenrod, und Rühl, Ober-Breidenbach, konnten da sagen, was sie wollten. Und wenn sie immer wieder zu Maschinengemeinschaften rieten, dann bekamen sie wohl auch gelegentlich zu hören: "Arbeiten SIE mal mit jemandem zusammen, DANN können Sie mitreden!" Vielleicht, so erzählen es jedenfalls die "Männer der ersten Stunde" gelegentlich, war das der letzte Auslöser fürs Gruppenpfarramt: Die Pfarrer wollten es ihren Leuten mal zeigen, daß bei gutem Willen Zusammenarbeit geht. Dabei waren noch die Vikare Kalbhenn und Hotz, die auch noch mit in die Arbeit einbezogen werden mußten, was die Sache bestimmt nicht immer nur leichter machte!

Was früher an den zweiten Feiertagen zu Weihnachten und Ostern schon mal vorkam, wurde durch die Gründung des Gruppenpfarramtes zur Regel: man "reiste" mit einer einmal angefertigten Predigt auch mitten im Jahr in die Nachbargemeinden: Kanzeltausch nennt man das, aber nur wenige Pfarrer möchten so einfach "ihre" Gemeinde einem Kollegen anvertrauen: wer weiß, vielleicht hat der Amtsbruder eine falsche Theologie? Oder noch schlimmer: vielleicht hören die Leute am Ende ihn lieber als mich?

Doch sprach auch vieles für den Versuch: Das schon erwähnte Vorbild für alle, die glaubten, man könne nicht kooperieren. Aber daneben gibt es auch einige handfeste Vorteile für die Pfarrer und Gemeinde: den Gemeinden wurden jetzt mehrere Prediger "angeboten", fast wie in der Stadt, und von nun an konnte es weniger als bisher "gerade an DEM Pfarrer" liegen, daß einer sich vom Gemeindeleben auf Dauer total entfernte. Und für die Pfarrer war es eine Erleichterung, nicht für jeden Sonntag eine neue Predigt vorbereiten zu müssen. Denn das dauert einen strammen Arbeitstag von ungefähr lo Stunden, auch wenn das aus der Gemeinde kaum einer glauben mag. Und mit solch einem "Werk" dann nach 20 Minuten fertig zu sein und es zu den Akten zu legen, das ist einfach unwirtschaftlicher Umgang mit der Arbeitszeit. Jeder Gesangverein führt ja ein erarbeitetes Stück auch mehrfach auf und kann es sich nicht leisten, alles Erarbeitete nur einmal zu singen; das bringt man doch gescheiterweise besser mehrfach unter die Leute! Und das gilt entsprechend auch für eine Predigt.--
Schon bald ergaben sich Veränderungen: Pfr. Dr. Rühl verließ schon gegen Ende des Gründungsjahres das Team. An seiner Stelle kam 1970 ich nach Ober-Breidenbach und mit mir zusammen meine Frau, die als Theologin auch eingesetzt werden sollte: dazu teilte man die Pfarrstelle Hopfgarten, bis dahin Schwierigkeitsstelle, und meine Frau übernahm Vadenrod und eine halbe Berufsschulstelle.

Natürlich wurde all dies nicht ohne die Zustimmung der beteiligten Kirchenvorstände und der Kirchenverwaltung unserer Landeskirche sowie finanzielle Förderung des Projektes durch die EKHN (Evang. Kirche in Hessen und Nassau) möglich.

Der regelmäßige Kanzeltausch so vieler Pfarrer brachte sehr bald eine weitere Neuerung: das "Gemeindeblättchen" wurde erforderlich, damit auch jeder lesen konnte, wer wo Gottesdienst hält! Und um das "Blättchen" zu planen, mußten sich die Pfarrer regelmäßig treffen: der Mittwochvormittag ist seither reserviert für das "Team", das sich reihum in den Pfarrhäusern trifft. Natürlich lernte man sich dabei auch besser kennen als das andere Pfarrer tun. Auch die Pfarrersfamilien kamen gelegentlich zusammen, und es entstanden gute Bekanntschaften, manchmal auch Freundschaften, die das Zusammenarbeiten auf der Grundlage wachsenden Vertrauens förderten. Und ohne das bedingungslose Vertrauen, daß man sich auf die Mitarbeiter verlassen kann, ist ein solcher Versuch zum baldigen Untergang verurteilt.
Zu diesem Zeitpunkt (Anfang 1970) arbeiteten also im "GPA' zusammen: Stumpertenrod mit Köddingen, Ober-Breidenbach mit Strebendorf und Storndorf und Vadenrod. Das "restliche Hopfgarten" mit Hergersdorf, Unter- und Ober-Sorg wurden dann sehr bald von Pfr. Aßmus "übernommen" und gliederte sich dem Team an, womit das Gruppenpfarramt schon einen erheblichen Teil des oberen Schwalmtal abdeckte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Meiches anschloß, was durch den damaligen Pfarrer, Herrn Schwarz, bald auch gerne gefördert wurde, zumal er wegen Krankheit auch mal länger vertreten werden mußte: und das war im Gruppenpfarramt eigentlich immer selbstverständlich, daß sich die Pfarrer gegenseitig vertreten und nicht ein ganz "Fremder'' kommt.

Damit aber war das Gebiet des Gruppenpfarramtes Vogelsberg abgesteckt: 11 dörfliche Gemeinden mit viereinhalb Pfarrstellen, viele Gemeinden im Schwalmtal; weiteste Entfernung von Stumpertenrod nach Hopfgarten. Mehr und, größer wäre schlecht!

Als der Versuch des Gruppenpfarramtes erst einmal begonnen war, da wurde auch weiterüberlegt, welche Vorteile sich denn noch ergeben könnten. Über eines war man sich im Klaren: Die Seelsorge, verbunden mit den Hausbesuchen und den kirchlichen Amtshandlungen (Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung), sollte in aller Regel dem Gemeindepfarrer vorbehalten bleiben. Natürlich ergab und ergibt sich manches seelsorgerliche Gespräch auch mit Pfarrern aus der Nachbargemeinde. Aber letztlich zuständig muß der Ortspfarrer bleiben, auch im Gruppenpfarramt.

Aber man kam auf die Idee, gemeinsame Veranstaltungen zu planen und durchzuführen: Zum Beispiel ist eine Veranstaltung wie die DORFWOCHE, zu der ja auch einmal ein Redner von außerhalb bestellt werden kann, nur "übergemeindlich" zu finanzieren und lohnend.

KONFIRMANDENFREIZEITEN macht man besser mit anderen Gruppen zusammen, da man für eine Minigruppe kaum noch eine Unterbringung bekommt. Und außerdem ist eine Arbeitsteilung der Pfarrer bei diesen Freizeiten sinnvoll und macht den Konfirmanden wie den Pfarrern mehr Spaß.

Das gilt in gleicher Weise auch für manchen KONFIRMANDENELTERNABEND, den nun nicht mehr jeder Pfarrer alleine vorbereitet und hält, sondern das ganze Pfarrerteam. Das erleichtert übrigens auch die Planung der Konfirmationstermine, wo ja ein übergemeindlicher Überblick im Interesse aller Beteiligten liegt.
Manche BIBELWOCHE wurde gemeinsam gehalten, wobei die Pfarrer wie bei den Gottesdiensten tauschten.

Manche gemeinsam KIRCHENVORSTANDSSITZUNG wurde durchgeführt, ja sogar KIRCHENVORSTEHERRÜSTZEITEN, die allen, die dabei waren, in guter Erinnerung geblieben sind.

Gemeinsame ALTENFREIZEITEN sowie die Treffen zum Weltgebetstag der Frauen runden das "Angebot" gemeinsamer Veranstaltungen ab. Ganz zu schweigen von manchem gemeinsamen FRAUENABEND, der die Frauen der Dörfer immer wieder mal zusammenbringt, worauf sich viele freuen.
Ja, es ist eine Art "Gemeindebewußtsein über den eigenen Kirchturm hinaus'' gewachsen, was sich schon vor Jahren einmal ganz besonders in einem Sommerfest des Gruppenpfarramtes zeigte, das sicherlich als Vorbild für das geplante Jubiläumsfest dienen kann.

Vor 20 Jahren gab es in unserer Kirche noch einige andere Versuche, in Gruppenpfarrämtern zusammenzuarbeiten. Diese Versuche hatten nicht so viel Bestand: sicherlich auch darum, weil ihre Konstrukteure zu viel an Arbeitsspezialisierung der Pfarrer und zuviel an Kooperation der Gemeinden durchsetzen wollten. Oder auch weil die Zusammenarbeit an ein Team von Pfarrern gebunden war, die sich schon vom Studium her kannten: sobald einer ausschied, zerbrach das Team.
Im Gruppenpfarramt Vogelsberg hat man sich auf das Machbare begrenzt und bei der Einführung von Neuerungen behutsam probiert, was in den Gemeinden angenommen werden kann. Vielleicht ist dies, verbunden mit den eisernen Willen aller Beteiligten, sich gegenseitig immer das Beste zuzutrauen, das Geheimnis, warum es dieses Gruppenpfarramt Vogelsberg auch noch nach 2o Jahren gibt.

Dieses Gruppenpfarramt hat eine Reihe von Pfarrern samt ihren Familien gesehen:
In Stumpertenrod die Pfarrer Grün, Kalbhenn und jetzt Frau Eibach. In Meiches die Pfarrer Schwarz, Begrich und jetzt Becher. In Ober-Breidenbach die Pfarrer Rühl, Weber und jetzt Helm. Und in Hopfgarten die Pfarrer Aßmus, Stumpf und jetzt Kratz. "Dienstälteste" Pfarrerin ist Frau Weber, die schon fast seit der Stunde Null dabei ist als Pfarrerin von Vadenrod und seit einiger Zeit auch von Ober-Sorg.

Es sind also weniger die Pfarrer, die das "GPA" zusammenhalten. Das mag am Anfang so gewesen sein. Heute ist das Gruppenpfarramt Vogelsberg eine recht stabile Einrichtung geworden, das sich (hoffentlich) auch weiterhin seine Pfarrer nach der Bereitschaft aussucht, im Team mitzuarbeiten: zu ihrem eigenen und zum Nutzen ihrer Gemeinden!

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