01. April 2015 - Blick zurück / Die Amerikaner kommen

1945: Storndorf zwischen Krieg und Frieden

Ostersamstag (?) 1945: Die Amerikaner kommen

Die Amerikaner nahmen am 29. März 1945 (Gründonnerstag) unseren Nachbarort Meiches ein. Von dort aus drangen sie über Dirlammen Richtung Lauterbach vor. Storndorf ließen sie zunächst links liegen. Das ist sicher. Den genauen Termin des Einzugs der Amerikaner in Storndorf konnte der Verfasser allerdings bisher nicht ermitteln.


Nach Informationen von Karl Reul, Meicheser Strasse, gegen Kriegsende knapp 9 Jahre alt:

Storndorf  erreichten die Amerikaner (wahrscheinlich) am Vormittag des Ostersamstags 1945 Storndorf von Meiches aus kommend. Um unnötige Aktionen der Amerikaner zu vermeiden, hatten die Familien in der Meicheser Strasse weiße Bettücher herausgehängt. Allerdings wurden die Familien gezwungen, die „Fahnen" wieder einzuziehen. Zwei oder drei deutsche Soldaten, die mit einem Kradfahrzeug Richtung Meiches unterwegs waren, veranlassten dies. Bald darauf haben die Familien die Fahnen allerdings wieder herausgehängt.

Hermann Richtberg, der Vater des späteren Bürgermeisters Otto Richtberg, hatte im „Oberdorf" so etwas wie die Wortführerschaft. Von Beruf war er Postbote, mit dem Fuhrwerk holte er in der Zeit um 1945 die Post von der Bahnstation Renzendorf. Er soll mit der weißen Fahne den Amerikanern entgegengegangen sein. Im Ort wurde alles vermieden, was zu einer Provokationen der Amerikaner und einem Angriff hätte führen können (wie z.B in Rixfeld). Man nahm deswegen auch einem jungen Mann ein Gewehr ab, mit dem er sich auf dem Dachboden verschanzt hatte, um die heranrückenden Amerikaner zu beschießen.

Die Amerikaner fuhren äußerst langsam in den Ort hinein und sondierten vorsichtig die Lage. Sie fuhren ein Stück, blieben stehen, fuhren weiter, um dann wieder anzuhalten. An der Spitze fuhr ein Jeep, besetzt mit 2-3 Soldaten. Es folgten LKWs, bewaffnet mit einem  auf dem Führerhaus montierten MG. Dann kamen Panzer, schwere Panzer. Bald war die ganze Meicheser Strasse voller Militärfahrzeuge, kurze Zeit später auch die Vadenröder Strasse.

In einem nicht enden wollenden Zug durchfuhren die Amerikaner unseren Ort. Hin und wieder hielt die Kolonne an, Soldaten stiegen ab und nahmen Kontakt mit den Bewohnern auf. „Eggs, Eggs", sollen einige gerufen haben und so erhielten sie von Waltersch Sophie, der Großmutter von Gertrud Stehr eine Schüssel mit Eiern. Die Kinder sahen zu diesem Zeitpunkt zum ersten Male in ihrem Leben Menschen mit schwarzer Hautfarbe und konnten feststellen, dass die „Neger" entgegen der offiziellen Nazipropaganda ganz sympathische Menschen waren. Vor dunkelhäutigen Menschen hatte die Kinder zunächst Angst, denn angeblich sollen sie ja den Frauen die Brüste abgebissen und die Kinder mit der Zunge an einem Tisch festgenagelt haben.

Die Dorfbewohner beobachteten, dass auf den ersten zwei, drei Panzern deutsche Soldaten saßen, die offenbar in Gefangenschaft geraten waren. Einige meinten, dass es sich um die weiter oben genannten Kradfahrer handelte, die Storndorf Richtung Meiches durchfahren hatten.


Nach Informationen von Karl Hamel, Windhäuser Straße, gegen Kriegsende knapp 10 Jahre alt:

Am nächsten Tag kamen die Amerikaner wiederum durch Storndorf, diesmal von Windhausen kommend. Das Prozedere vom Vortag wiederholte sich. An der Spitze fuhr ein Jeep, danach kamen Panzer, dreiachsige LKWs , dann wieder Panzer, so groß und schwer, wie man sie von deutscher Seite aus nicht kannte und die die Häuser zum Beben brachten.

Bald war die gesamte Windhäuser Straße voller Militärfahrzeuge, die sich in einer nicht enden wollenden Schlange durch Storndorf bewegten und den Ort Richung Vadenrod wieder verließen. Die Fahrzeuge blieben stehen, fuhren weiter, um nach kurzer Zeit wieder anzuhalten. Ganz hinten auf den LKWs saßen in Gefangenschaft geratene deutsche Soldaten, die von den Amerikanern wahrscheinlich als menschliche Schutzschilde mitgeführt wurden.

Die Kinder bekamen von amerikanischen Soldaten den ein und anderen Kaugummi oder andere Süßigkeiten und die Erwachsenen versuchten, mit den Gefangenen ins Gespräch zu kommen, um etwas zu erfahren: Wo kommt ihr her, was wisst ihr über die allgemeine Lage?

Am Tag zuvor beobachtete auch Karl (Hamel) die von Meiches herankommende Kolonne. Er befand sich im Hof von August Rausch und von dieser Stelle aus sah auch er zum ersten Male einen Schwarzen. „Vor dem hatte ich richtig Angst", kann er sich erinnern.

Vom gleichen Tag hat Karl noch eine weitere Erinnerung: Im Forsthaus, dem heutigen Anwesen Gute, wohnte eine Evakuierte namens Feik. Die beherrschte die englische Sprache offenbar sehr gut, denn sie führte mit einigen Amerikanern ein längeres Gespräch, nachdem sie sich über die Kirchgasse auf die Meicheser Straße begeben hatte.

Bernd Georg

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