17. Mai 2011 - Theatergruppe

Quelle: OZ, Alsfeld

Rhöner Platt, Don Carlos und Wortwitz

Wolf und Bleuel präsentierten ihr neues Programm „Zuckerscharf" in Storndorf

wolf_bleuel_in_storndorf(gsi). Sie sind regelmäßig zu Gast in Storndorf, Wolf und Bleuel, die Zweckgemeinschaft für angewandte Unterhaltung aus der Rhön, und sie haben in St. Orndorf, wie sie es nennen, ihre treuen Fans.

So wundert es auch nicht, dass eine der ersten Aufführungen des neuen Programms „Zuckerscharf" - am 1. April im Fuldaer Schlosstheater uraufgeführt - im Storndorfer Dorfgemeinschaftshaus stattfand, dort, wo Bleuel, der markante Glatzkopf mit dem außergewöhnlichen Riechorgan, nur in seinem rosa Pullunder die Bühne betreten muss, um erste Lacher zu bekommen.

Zu Recht, denn wie in den Programmen davor lebt auch dieses wieder sehr von dem Unterschied zwischen dem bodenständigen, direkten Bleuel und dem kunstbeflissenen, stets um den besten Ausdruck bemühten Wolf. Wie umschifft man ein Loch, das bereits am Anfang einer Aufführung entsteht, weil es nicht richtig losgehen kann? Diese Frage stellt sich Wolf und schwadroniert wortreich wie eh und je gemeinsam mit dem Publikum über einen kurzen Anfang mit einem langen Schluss oder einen langen Schluss mit einem kurzen Anfang - beides wird in den philosophischen Ausführungen Wolfs zu einem kaum angefangenen endlosen Loch, in das fast die ganze Veranstaltung zu fallen droht, denn es fehlen Bühnenbild und Einspieler - nichts davon ist in St. Orndorf eingetroffen. „Machen Sie sich woanders einen schönen Abend", rät Bleuel, schließlich will man aber doch nicht die Flinte an die Wand malen und startet in der Not ein Improvisationstheater.

Nebenbei fragt sich der geneigte Zuschauer, ob der kahlköpfige Bleuel etwas an den Haaren herbeiziehen kann und ob sein rosa „73er Spätpullunder" nun eher aus einem Altkleidersack stammt oder ein neues Geschenk von Mutti ist, zu der er - wie sich später noch herausstellen wird - ein sehr spezifisches Verhältnis hat. Schließlich finden die beiden einen großen Reise- und einen noch größeren Kontrabasskoffer und bauen sich ein spartanisches Bühnenbild. Über das „Gesetz der galaktischen Ordnung" philosophiert der sonst eher wenig metaphorische Bleuel, über Antimaterie, Antikörper und Antipeter, bis schließlich Wolf, der Künstler, sich als Chaot outet: „Ordnung ist doch nur ein kleiner Moment zwischen zwei chaotischen Zuständen."

Und spätestens bei ihren Abhandlungen über die Zeit sind sie angekommen, die beiden Wortakrobaten, die die Physik erklären wie nichts und zu dem Schluss kommen, dass man nur lang genug an einer Stelle verharren muss, um irgendwann wieder vorn zu sein. Mitgekommen auf die St. Orndorfer Bühne sind auch die beiden alten Ego von Wolf und Bleuel, wobei zunächst der Rhöner Bauer Franz Habersack seinen Auftritt in schönstem Rhöner Platt absolviert. Vom Pseudo-Biobauern über die Ökologie des Christentums - so erfährt der Zuhörer einiges über zu hundert Prozent recyclebare Rohstoffe bei der Schöpfung, Seitenbacher Müsli beim Abendmahl von Da Vinci, Himmelfahrt ohne CO2-Emission und die Hoffnung Wolfs, die Kirche möge sich bald selbst biologisch abbauen. Kurz vor der Pause offenbart Bleuel seinem Publikum noch seine Traumrolle: einen Darmverschluss möchte er spielen, auf dem Traumschiff. Wie das geht und was das soll, erfahren die erstaunten Gäste bei genauem Hinhören, und wie ein Darmverschluss à la Bleuel aussieht, bevor ihm am Ende mit einem Einlauf abgeholfen wird, das ist mehrmaliges Hinschauen wert.

Im zweiten Teil lässt Wolfs zweites Ich, Chrisoph Witzel, wie gehabt mit getönter Brille, Pudelmütze und Ballonseide, das Publikum an der Trauer um seinen viel zu früh von ihm gegangenen Blinddarm teilhaben. „Muss man denn alles gleich wegschmeißen?", fragt sich der Hypochonder, der diesem armen Organ noch spät einen würdevollen Abschied verschafft.

Auch wenn die beiden irre gut zusammen singen, spielen und Musik machen, sind es doch immer wieder die Gegensätze zwischen Wolf und Bleuel, die das Programm bestimmen. Manchmal knipsen sie sich sogar aus und an, um kurz über den anderen abzulästern. In einem Medley, das vor Witz nur so sprüht und auch gesanglich und musikalisch ziemlich beeindruckt, legen der erklärte Fleischesser Bleuel und der feingeistige Vegetarier Wolf ihre Neigungen dar: Aus Abbas „Chiquitita" wird so mal eben „Chicken-Dieter", und frei nach den Puhdys prophezeit Bleuel seiner Weihnachtsgans „Alt wirst du kaum!". Genauso virtuos interpretiert Wolf kurz danach sein schoko-erotisches Lied als Chansonnier mit rauer Stimme und ohne jedes „H", schließlich ist man ja Franzose.

Gegen Ende der Aufführung klärt sich schließlich auch noch das bedenklich enge Verhältnis Bleuels zu seiner Mutter, für deren Zuckerwürfel (oder heißt es Würfelzucker?)-Sammlung er für 5000 Euro ein ganz seltenes Stück erworben hat. Dieses tut er zu guter Letzt seinem Freund Wolf in den Kaffee, als dieser endlich von seinem weltpolitisch hohen Ross heruntergestiegen ist und zu seinem Zuckerbedarf steht. Mit einer irrwitzigen Geschichte von einem schlechten Schlüchterner Schlachter liefern die beiden Rhöner Herren in der Zugabe den Beweis dafür, dass sie nicht nur die Meister des Wortwitzes, sondern auch des zungenbrechenden Stabreims sind. Wer sich davon und von vielem anderen überzeugen möchte, kann das in einer der vielen weiteren Aufführungen tun - vorheriges Gehörschären und Zwerchfelltraining sind dringend zu empfehlen.

Visitorcounter Pro - VCNT

Seitenzugriffe 0

Heute 26

Gestern 147

Woche 932

Monat 4.989

Insgesamt 13.165

Aktuell sind 179 Gäste und keine Mitglieder online

JEvents - Calendar Module

April 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
1 2 3 4 5 6 7
8 9 10 11 12 13 14
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

JEvents - Latest Events Module

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.