22. Februar 2021 - Porträts & Personalien

Quelle: Lauterbacher Anzeiger 20.02.2021 - Von Annika Rausch

Aus Schwarz und Weiß wurde Bunt

Klaus Rühl, katholischer Gemeindereferent, wird nach 34 Jahren verabschiedet: Rückblick auf seinen ungewöhnlichen Weg zur Kirche

Ruehl Klaus small

Klaus Rühl und seine Frau Christina Osswald auf einer Bergtour

HERBSTEIN. Er ist ein Mann, der im Laufe seines Lebens durchaus schon das eine oder andere Mal aneckte. Nicht immer erntete er bei allen für seine Entscheidungen Verständnis. Doch wenn jemand Hilfe braucht, ist er auch heute noch stets zur Stelle: Klaus Rühl war 34 Jahre lang katholischer Gemeindereferent in Herbstein. Morgen (Sonntag, 21.02.2021) wird er in einem feierlichen Gottesdienst verabschiedet.

Im August 1987 kam der heute 63-Jährige nach seinem Studium nach Herbstein. Ein besonderes Credo habe er sich seitdem in seiner Arbeit stets zu eigen gemacht: „Ich wollte mich nie aufdrängen. Mir ging es immer darum, mich zusammen mit den Menschen auf den Weg zu machen. Ich habe den Glauben schließlich nicht gepachtet. Jeder kann in unserer freien Gesellschaft sein Leben so gestalten, wie es beliebt. Auch die Suche nach dem Sinn kann völlig unterschiedlich aussehen. Was die Menschen dabei bestärkt, ist im Grunde egal. Das Christentum ist eine Einladung, ein Weg, ein erfülltes Leben zu führen.“ Mitten im Leben zu stehen - das ist Klaus Rühl schon immer wichtig gewesen. Obwohl in seinem Leben nicht von Anfang an klar war, dass er einmal bei der Kirche landen würde. „Ich bin in Storndorf aufgewachsen - evangelisch. Mit Konfirmandenunterricht und allem drum und dran“, verrät Klaus Rühl lächelnd.

Schon damals - im Alter von 13, 14 Jahren - sei er „merkwürdig angerührt von Gott gewesen“, wie er es heute beschreibt. Kein Gottesdienst, kein Treffen im Kinder- und Jugendgottesdienst lief ohne ihn ab. „Unsere Nachbarin sagte damals immer: Der wird einmal Pfarrer." Besonders der damalige Pfarrer Weber habe ihn tief beeindruckt. Ein Erlebnis in der Kirche damals hat er auch noch heute besonders lebhaft im Kopf: „Damals war es üblich, wenn in der Nachbarschaft jemand verstarb, dass die Konfirmanden vorneweg das Kreuz tragen. Das war für mich damals der Horror. In der Öffentlichkeit, auf einer Beerdigung ... „Damals hätte ich nie gedacht, dass ich Jahrzehnte später einmal sehr gerne den Menschen in der Trauerbegleitung und der Notfallseelsorge zur Seite stehen würde.“

In der Pubertät trat die Kirche für Klaus Rühl dann vorerst wieder in den Hintergrund. „Mit 17 war ich nach der Mittleren Reife unentschlossen, was meine berufliche Lebensperspektive betrifft“, erinnert er sich. „Mein Vater sagte, dass ich zum Staat, vielleicht zur Bahn gehen sollte. Doch das war nichts für mich. Ich bat mir Bedenkzeit aus und ging zwei Jahre zur Bundeswehr.“ Jünger als die Kameraden, war das für Klaus Rühl keine einfache Zeit: „Das war schon krass, eine harte Schule“, gibt der heutige Großvater mit einem Seufzen zu. Das hieß jedoch nicht, dass der junge Klaus Rühl aufgab: „Ich bin grundsätzlich begeisterungsfähig und fand einen Kompaniechef, den ich sehr schätzte.“ Als die zwei Jahre vorbei waren, entschied er sich für zwölf Jahre zu verpflichten. Stationen waren in Neustadt, Stadtallendorf, Wolfhagen und Hammelburg.

„Mit 18, 19 Jahren ist etwas mit mir passiert: es verunglückte ein sehr guter Freund von mir tödlich. Und ich begann mich zu fragen, was für einen Sinn das Leben hat.“ Ein paar Jahre später lernte er seine erste Frau kennen, durch die er in Kontakt mit dem katholischen Glauben kam. „Da habe ich nicht durchgeblickt“, erinnert sich Klaus Rühl noch sehr gut an seine ersten Gedanken beim Besuch einer katholischen Kirche und einer Messe. „Das alles hat mich auf eine besondere Art und Weise berührt."

Wie in meiner Jugend. Der Gemeindepfarrer von Flieden war ein beeindruckender und herzlicher Mann. Da wuchs in mir nach und nach der Wunsch, zum katholischen Glauben überzutreten.“ Dafür nahm er auch gerne den Konflikt mit seinem Vater in Kauf, der von der Entscheidung seines Sohnes ganz und gar nicht angetan war. Bald darauf folgte die Heirat, und als seine Bundeswehrzeit zu Ende war, entschloss sich Klaus Rühl, Gemeindereferent zu werden. Gerne hätte er sich zum Diakon weihen lassen. „Doch unter Bischof Dyba im Bistum Fulda wäre mir das als Laie nicht möglich gewesen.

"Außerdem wurde mir klar, dass ich kein Amt brauche, um den Menschen nahe zu sein.“ So blieb er beim Beruf des Gemeindereferenten. Nach seinem Studium in Mainz waren sie insgesamt fünf Kollegen, die Oberhessen zugeteilt wurden. Er kam nach Herbstein - und blieb als einziger in der Region. „Damals habe ich in meinem ersten Gottesdienst, als ich mich der Gemeinde vorstellte, gesagt: ‚Ich möchte mit Ihnen leben!“ Ansprechpartner und Stütze in allen Lebenslagen zu sein - das wollte er mit diesen Worten allen anbieten.

Doch Klaus Rühl hatte sich in seinem Studium auch verändert: „In meinem damaligen Denken auf dem Dorf war alles schwarz oder weiß, bei der Bundeswehr war auch alles schwarz oder weiß. Doch während meines Studiums wurde mein Horizont erweitert und auf einmal wurde alles bunt.“

Privat lief nicht alles glatt - die Ehe scheiterte. Später lernte er seine zweite Ehefrau Christina in Herbstein kennen Der Weg zur zweiten Ehe war allerdings nicht einfach. Beide mussten sich einem kirchlichen Gerichtsverfahren unterziehen, um heiraten zu dürfen. „Das sorgte für große Entrüstung in Herbstein, aber leider haben die Kritiker mich nie persönlich angesprochen”, blickt Klaus Rühl zurück.

Die Zeit, in der er so im Mittelpunkt des Interesses stand, war „nicht einfach“ für ihn. „Ich hätte auch gehen können. Doch ich dachte, wenn ich kündige, dann werfe ich auch mich weg.“ Und er habe fest daran geglaubt, dass es ihn nicht zufällig nach Herbstein geführt habe. „Gott wird sich etwas dabei gedacht haben, und ich vertraue ihm", ist er überzeugt. 2004 folgte dann die Hochzeit mit seiner heutigen Frau. Getraut wurden sie in Bingen von Pfarrer Walter Mückstein. Er und Trauzeuge Dr. Christian Wulf, sind zwei Menschen, die ihn auf seinem Weg und seinem Glauben stets bestärkt hätten. „Meine Frau hat mich immer tatkräftig unterstützt. Sie hat mich korrigiert, wenn nötig und stets motiviert. Uns bereichert und trägt der gemeinsame Glaube. Ich bin ihr sehr dankbar.“

Dass sich jetzt niemand auf seine Stelle als Gemeindereferent beworben hat, macht Klaus Rühl etwas traurig. Gerne war er als Berater in allen Lebenslagen aktiv, veranstaltete Bergtouren, auch am Religionsunterricht habe er immer sehr viel Freude gehabt. Ein besonderer Höhepunkt seien für ihn die Passionsspielein Salmünster gewesen, an denen sich zahlreiche Mitbürgerinnen und Mitbürger Herbsteins regelmäßig beteiligt hatten. Besonders beliebt seien bei den Kindern und Jugendlichen auch immer die ‚Adventswochenenden in der Rhön gewesen. „Es war mir immer sehr wichtig, mit den Menschen auf dem Weg zu sein und Spuren Gottes in ihrem Leben zu entdecken, sie in Kontakt mit Gott zu bringen. Zum Leben aus dem Glauben zu motivieren. Das bot sich besonders im Bibelkreis und im Rahmen von sonntäglichen Wortgottesfeiem an. Wer eine tragende Gottesbeziehung pflegt, erlebt durchaus auch Krisen und Krankheit und Leid. Der Glaube an Gott kann aber Ermutigung und Halt geben.“

An diesem Sonntag (21.02.2021) wird Klaus Rühl um 10.15 Uhr in einer Heiligen Messe in der Sankt Jakobus Kirche Herbstein nun offiziell verabschiedet. Was ihn dabei besonders freut: „Es haben sich sehr viele junge Leute angemeldet. um dabei sein zu dürfen.“ Für ihre Wertschätzung durch ihren Besuch ist er sehr dankbar. Aber was kommt für Klaus Rühl danach?

Mein Weg mit Gott geht weiter“, erklärt er vielsagend und bezieht sich damit auf seinen Mini-Job im Lauterbacher Friedwald, der ihn sehr erfüllt. Er meint damit auch seine Familie mit insgesamt vier Kindern und den fünf - bald sechs - Enkeln. Zudem ist er ein begeisterter Fotograf, der gerne kocht und selbst für das Holz sorgt, das im heimischen Ofen landet. Dankbar ist er nach zwei schweren Operationen auch für seine Gesundheit.

Und wie ist es um die Zukunft der katholischen Kirche bestellt? „Wir sind in einem großen Umbruch“, ist sich Klaus Rühl sicher. Und natürlich hätten die Skandale in der jüngeren Vergangenheit den Menschen und der Gesamtkirche sehr geschadet. „Wenn es der Kirche gelingt, innerkirchliche Macht abzubauen und Verantwortung gerecht zu verteilen. Wenn Klerikalismus in den Hintergrund tritt und wenn sich Frauen in Leitungs- und Weiheämtern einbringen dürfen, dann muss uns nicht bange um die Zukunft unserer Kirche sein. Die Frohe Botschaft vom lebendigen Gott muss dabei immer im Vordergrund stehen.“

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