10. Februar 2023 - Schwalmtal

Quelle: OZ Alsfeld 10.02.2023

Kostenloser Hochwasserschutz: Biber im Schwalmtal

Der Biber ist zurück im Schwalmtal –- und der Nager will offenbar länger bleiben. Ein Experte gibt Tipps zum Umgang mit dem "Neubürger".

SCHWALMTAL. Der Biber ist zurück im Schwalmtal. Nachdem im vergangenen Jahr an der Schwalm bei Hopfgarten Biss- und Fressspuren an ufernahem Bäumen gesichtet worden waren, macht die jüngste Entdeckung eines Baues klar, dass der große Nager gedenkt für länger zu bleiben. Diese Erkenntnis rief Bürgermeister Timo Georg (parteilos) auf den Plan. Auf seine Initiative hin, fand im DGH Hopfgarten eine Informationsveranstaltung zum Thema Biber in Schwalmtal statt. Als Referent konnte mit Thomas Steinke ein Schwalmtaler gefunden werden, der sich als Mitglied der AG Biber bestens mit den nützlichen Tieren auskennt. Dass diese Neuentdeckung für viele Schwalmtaler Bürger interessant ist, zeigte die Tatsache, dass rund 50 Personen den Weg ins DGH fanden.

DER BIBER IN DEUTSCHLAND

Der Bieber ist das größte Nagetier Europas und wurde nicht nur deshalb über Jahrhunderte intensiv bejagt. Das Ergebnis war, dass er bis auf eine kleine Region an der Elbe, in Deutschland seit Mitte des 18. Jahrhunderts als ausgestorben galt.

In den 1980er-Jahren begann man dann mit der Wiederansiedlung des Bibers in Deutschland. Zunächst mit Exemplaren des kanadischen Bibers in Bayern. Dieser paart sich aber nicht mit dem heimischen Biber, sodass beide Genome unverändert bleiben. Ab 1987 wurde der Biber dann auch wieder in Hessen angesiedelt. Hier mit der heimischen Art von der Elbe.

Ausgehend von den ersten Ansiedlungen im Spessart, kehrte er langsam wieder zurück in die heimischen Fließgewässer. Biber sind schon seit mehreren Jahren an verschiedenen Stellen im Vogelsbergkreis beheimatet. Die AG Biber des Nabu zählt zurzeit etwa 45 besetzte Reviere. Über verschiedene Flüsse wanderte der Biber immer weiter in den Norden und gelangte schließlich auch in die Schwalm und dort immer weiter flussaufwärts.

In seiner kurzen Begrüßung zeigte sich Georg erfreut, dass der streng geschützte Biber nach 200 Jahren wieder an der Schwalm ansässig geworden ist. "Mit dieser Versammlung wollen wir proaktiv auf die Situation reagieren und als Gemeinde alles tun, damit er hier auf Dauer heimisch wird. Dazu gilt es, die Bürger zu informieren und mitzunehmen", so Georg weiter.

Thomas Steinke beleuchtete den Biber von allen Seiten. Die Besucher erfuhren von den Gründen seiner intensiven Bejagung bis zur Ausrottung, von seiner Wiederansiedlung, seinem Paarungsverhalten, seiner Nahrung und den Gründen für den Dammbau. Aus seinen Ausführungen wurde auch klar, dass der Biber in Hopfgarten keinen Damm baut, weil die Wassertiefe der Schwalm in diesem Abschnitt mehr als 70 Zentimeter beträgt und diese Tiefe optimal für die Aktivitäten des bis zu 30 Kilogramm schwer werdenden Nagers ist. Deshalb hat er seinen Bau nur in die Uferböschung gegraben und den Bau mit Ästen und Zweigen abgedeckt und damit geschützt.

Steinke zeigte in seinem Vortrag Orte, wo der Biber kleine Bäche aufgestaut hat, um seinen Lebensraum gemäß seinen Bedürfnissen zu gestalten, und führte weiter aus, dass, sollten Biber weiter schwalmaufwärts ziehen, es ziemlich sicher sei, dass diese dort ihre bekannten Dämme bauen würden.

Bei diesen Ausführungen war eine gewisse Unruhe bei einigen Besuchern spürbar. Diese sahen sich und ihre Häuser vermutlich schon als Teil eines weit über die Schwalmufer tretenden Biberteiches. Steinke konnte aber im selben Atemzug beruhigen: Die Schwalm böte ausreichend Raum für eventuelle Biberteiche ohne die daran gelegenen Dörfer mit ihren Häuser in Mitleidenschaft zu ziehen.

Er gab ein paar Tipps zum Umgang mit dem "Neubürger". So würden Biber das Wasser nur für etwa zehn bis 20 Meter verlassen. Die reinen Vegetarier fressen in ihrem Revier, das durchaus bis zu 6 Kilometer eines Wasserlaufs betragen kann, Wasserpflanzen, deren Wurzeln, fast alle Uferpflanzen wie Schilfstängel, Kräuter, Gräser, aber gleichfalls junge Zweige und Knospen hoch oben aus den Baumkronen sowie im Winter die Rinde der Bäume. Aus diesem Grund fällt der Biber die Bäume, um an die für ihn sonst unerreichbaren Leckereien zu gelangen. Die charakteristischen, wie ein Sanduhr aussehenden, Nagestellen sind an einigen Bäumen entlang der Schwalm in Hopfgarten gut zu sehen. Biber bevorzugen Weichhölzer wie Weiden und Pappeln, lieben aber auch Obstbäume, wie ein Hopfgärter Bürger bereits erfahren musste. An dieser Stelle gab Thomas Steinke den Tipp, Obst- oder andere Bäume mit einem Draht zu schützen, wenn man sie nicht verlieren wolle.

Steinke ging intensiv auf den Nutzen der Biber für Mensch und Landschaft ein. Biber sind wahre Multitalente, die sehr anpassungsfähig sind, ihren Lebensraum aktiv gestalten und damit auch optimale Lebensbedingungen für andere geschützte oder gefährdete Tier- und Pflanzenarten schaffen. Ihr Tun ist zudem eine kostenlose Renaturierungsmaßnahme. Biberdämme halten das Wasser in der Landschaft und Biberansiedlungen verzögern den Wasserabfluss. Daher sei Biberschutz auch Hochwasserschutz. In trockenen Jahren profitiert nicht nur die Natur, sondern auch die Landwirtschaft von seiner Wasserrückhaltung.
Gute Voraussetzungen im Hopfgarten

Der Biber in Hopfgarten findet, so Steinke, in seinem Revier gute Voraussetzungen vor. Dazu gehört auch der unberührte Streifen entlang der Schwalm von der Gemarkungsgrenze nach Altenburg bis zur Gemarkung Unter-Sorg, in dem keine landwirtschaftliche Nutzung stattfindet.

Über die gesamten 90 Minuten folgten die Besucher interessiert seinen Ausführungen und stellten anschließend viele Fragen. Auch einige mitgebrachte Exponate rund um den Biber bis zu einem Biber als Präparat konnten von den Besuchern in Augenschein genommen werden.

Der Skepsis mit der dem Biber immer wieder begegnet wird, verstehen weder Thomas Steinke noch Bürgermeister Timo Georg. Während des Vortrages betonte Steinke daher des Öfteren, dass man das Zusammenleben mit dem Biber wieder neu erlernen müsse, da es viele ökologische Vorteile bringe. Die wenigen Nachteile seien in der heutigen Zeit leicht managebar.

Bei Fragen rund um den Biber stehen die AG Biber des Nabu, spezielle Ansprechpartner in den Forstämtern und beim Regierungspräsidium in Gießen zur Verfügung.

Gerhard Massier
 

Linktipps:

 
Biber breitet sich im Vogelsberg aus
 
AG Biber des NABU Vogelsbergkreis

 

 


Zusätzliche Informationen

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.